Fotos: Otto Saxinger

SKIZZEN UND KONGLOMERATE.

Eine Ausstellung der verschollenen Künstlerin Olivia K.

Dienstag, 22. November 2022, 18:30
im Schauraum des KunstRaum Goethestrasse xtd.

Pop-Up Ausstellung der verschollenen Künstlerin Olivia K.

Samstag, 1. Oktober 2022, 18:00 bis 01:00 Uhr
Lentos Kunstmuseum Linz

Der Nachlass der bislang nicht wahrgenommenen Künstlerin Olivia K. gibt mehr Rätsel auf, stellt mehr Fragen als klare Antworten zu ihrer Existenz.

Gerade dies macht es für heutige Kulturforscher*innen so reizvoll, sich mit dieser vielgesichtigen Biografie auseinanderzusetzen. Lebens- und Werkphasen können wie Puzzlesteine benutzt werden. Aber es bleibt ein Puzzle mit offenen Stellen, mit Anschlussteilen die sich einfach nicht zusammenfügen wollen und die gewiss weiterer Forschung bedürfen.

Viele Elemente aus dem Leben der Olivia K. lassen sich eher durch ihre künstlerischen Entwürfe, Objekte, Poesie und Sammlungsstücke erspüren, als durch unbestreitbare historische Quellen belegen. Gerade so als hätte sie, wie schon Alexandra Kollontai sagte: „viele Leben gelebt“.

Die Schwierigkeit in der Aufarbeitung des „Konvolut Olivia K.“ besteht auch darin, dass oft nicht festgestellt werden kann, ob es sich um ein Objekt des täglichen Lebens, eine Skizze, einen Entwurf oder ein bereits fertiges Werk handelt. Hier ist die Interpretationslust der Betrachtenden gefragt.

Olivia K. kam in Österreich in einer Zeit zur Welt. Die Geschichte des Nationalsozialismus hatte sich tief in das Land eingegraben. Es gab wenig Auseinandersetzung damit, wie die einzelnen Familien mit ihrer eigenen Mit-/Täter*innenschaft umgehen. In so einer „kontaminierten Landschaft“ (Martin Pollack) aufgewachsen zu sein und zu spüren, dass hier „etwas nicht stimmt“ (Zitat aus dem Briefverkehr), hat ihre Sicht auf die eigene Identität zweifellos stark geprägt. Von Anbeginn an ist hier ein Gefühl der Unmöglichkeit unbeschwerter Existenz angelegt. Hier können Spannungslinien zwischen dem offensichtlichen Unterstützungswillen durch den Vater („Er sagte mir, ich soll meinen Weg gehen.“), die musikalische Frühförderung, die ihr zuteil wurde und dem ständigen Graben nach den Täter*innengeschichten der eigenen liebenden Familie ausgemacht werden. Es ist genau diese Spannung, die ihr Werk prägt und bruchstückhaft erscheinen lässt.

Ihren Notizheften ist zu entnehmen, dass sie sich sowohl mit der eigenen Lokalgeschichte konfrontierte als auch Zugang zu wenig bekannten Künstler*innenbiografien wie die von Friedl Dicker-Brandeis (siehe Lentos Ausstellung Winter/Frühjahr 2022) hatte. Wir finden Hinweise auf ihre intensive Beschäftigung mit den Kinderzeichnungen in Theresienstadt und dem Versuch, die vom Bauhaus geprägten „Übungsmethoden“ von Friedl Dicker-Brandeis auf sich selbst anzuwenden.

Aus diesem Kontext war ihr Besuch der Universität für angewandt Kunst in Wien naheliegend. Hier beschäftigte sie sich mit der Frauengeschichte des textilen Gestaltens sowie der vom neuen Realismus geprägten Objektkunst. Dass sie in späteren Werkphasen versucht, dies mit gestischer Abstraktion zusammenzubringen, gibt Hinweise auf ein eigenständiges Kunstwollen.

In ihrem Schriftverkehr nachgewiesen ist auch die frühe Beschäftigung mit Linzer Künstlerinnen aus dem Kreis um Agathe von Schwabenau (siehe Nordico Stadtmuseum Auftritt der Frauen, noch zu sehen bis 16.Oktober 2022).

Das Wiener Umfeld der „Angewandten“ ist wohl auch für ihre Politisierung ausschlaggebend. Hier allerdings verlieren sich die Evidenzen im Dunklen noch nicht geöffneter Archive. Es könnte sein, dass sie unter unterschiedlichen Name in verschiedenen Szenen in Wien und Berlin auftaucht. Gerade diese Lücken
und die Tatsache, dass sie selbst in ihren eigenen Aufzeichnungen oft nur mit Andeutungen arbeitet, zeugen von Einbrüchen, vielleicht dem generellen Befragen ihres Lebensentwurfs und Neufindungen. Es beginnt in der Lebenskiste zu rumpeln.

Offensichtlich wird dabei jedoch ihre Fähigkeit, auf künstlerischer Ebene Krisenerfahrungen zu verarbeiten, sei es durch Poesie, Musik, Bilder. Eine Zeit lang scheint sich ihr eigenes Leben und die Spuren, die wir von diesem haben, selbst zwischen Fiktion und Realität zu bewegen und sie scheint uns absichtlich im Unklaren zu lassen.

Unklar bleibt zum jetzigen Zeitpunkt der Forschung auch, an welchem Punkt sie einen gewissen Durchbruch und den Weg aus dem finanziellen Prekariat schaffte. Ihr Alterswerk jedenfalls kann als Verdichtung all dieser Erfahrungen gelesen werden, als ein zur Reife gelangen. Wir können gespannt bleiben, wo ihr Gesamtwerk zu sehen sein wird.

Erstmals waren Teile ihres fragmentarischen Œuvres im Lentos Kunstmuseum als Pop-Up Ausstellung im Rahmen der Langen Nacht der Museen am Samstag, 1. Oktober 2022, 18:00 bis 01:00 Uhr zu sehen.